Das sind die Wege zum Ruhm im Jahre 2025! Dass die JETS Initiative ein Sprungbrett für eine internationale Filmkarriere sein kann, ist bei dieser Berlinale eindrucksvoll unter Beweis gestellt worden: 2023 wurde „Honey Bunch“, der geheimnisvoll anmutende Genre-Mix aus Melodram und SciFi-Horror-Thriller im Retro-Design, noch vom Regie- und Drehbuch-Gespann Dusty Mancinelli/Madeleine Sims-Fever in der Vertretung des Landes Bremen beim Bund gepitched. Zwei Jahre später erfolgte am 18. Februar im ausverkauften Zoo Palast (wohlgemerkt im großen Saal 1!) die Weltpremiere in der Sektion „Berlinale Special“.
Der kanadische Spielfilm erinnert bei aller Eigenständigkeit an die Edelschocker von Nicolas Roeg („Don‘t Look Now“, 1973) und Stanley Kubrick („Shining“, 1980), wobei sich der handgemachte Schrecken, der weitgehend auf CGI-Effekte verzichtet, auch über den im Wortsinn fantastischen Soundtrack von Andrea Boccadoro vermittelt: Ohne jegliche Erinnerung wird Diana (Grace Glowicki) von ihrem Gatten Homer (Ben Petrie) in eine tief in den Wäldern gelegene Traumaklinik gebracht. Sie kann sich die Umstände zunächst nicht erklären, doch nach und nach kommen ungeahnte, dunkle Wahrheiten über ihre Ehe ans Licht. Grace Glowicki brilliert in mehrfacher Hinsicht als Klon ihrer selbst. Und die erst 19-jährige India Brown rührt, ohne jetzt zu spoilern, am Ende das Publikum, zu Tränen. Der Autor dieser Zeilen traf sie mit ihren Schauspielerkollegen und den beiden Filmemachen bei der Uraufführung. Ihr ist eine große Zukunft gewiss.
Von solchen Erfolgen träumen auch die Teilnehmer der JETS Initiative. Für die ersten und zweiten Sieger des diesjährigen Wettbewerbs ist der erste Schritt bereits gemacht. Sie haben gute Chancen, dass ihre Projekte bald realisiert und auf der großen Leinwand zu sehen sein werden. Bleiben wir noch für einen Moment bei Kanada. Der Gewinner des nach Russlands zweitgrößtem Staates der Erde ist 2025 „Headliner“ von Regisseur Kill Weyman und Produzent James Weyman. Das mit viel Musik angereicherte Coming-of-Age-Drama, welches auf wahren Ereignissen basiert, überzeugte die Jury vor allem aufgrund des komplexen Drehbuchs und der fundierten Recherche. Beim Aufstieg eines ambitionierten DJs Club, der aus der Vorstadt kommend das Nachtleben von Toronto entert und dabei in Liebesaffären wie auch den Drogenschmuggel nach Australien verstrickt wird, fängt bereits im Skript die elektrisierende Atmosphäre des Großstadtdschungels ein. Als „Follow Up“ wurde „The Stray Bullets“ mit einer Siegerurkunde ausgezeichnet. Die feministische Buddy-Komödie über die besten Freundinnen Tanya und Louise, die an der konservativen Notre Dame Catholic High School die Grundfesten ins Wanken geraten lassen und das weibliche Hockey-Team „The Stray Bullets“ formieren, besticht durch seine Lockerheit und die „Easy Going“-Attitüde, die sich selbst nicht immer als zu ernst nimmt.
Auch wenn die Preisverleihung seit Jahren in der Kanadischen Botschaft am Potsdamer Platz stattfindet, ist die international bestückte JETS Initiative immer auch ein Heimspiel für Deutschland. Den ersten Platz belegt nun „Raunächte“ von Enkelejd Lluca (Regie) und Sebastian Sgodzai (Produktion). Die junge Clara ist bei einem Besuch in einem österreichischen Dorf auf einen romantischen Urlaub zu zweit mit ihrem Verlobten eingestellt, doch als dessen Arbeitskollegen unvermittelt auftauchen, beginnt ein mörderisches Neujahrsspiel, der sogenannte „Perchtenlauf“… Beim zweiten Sieger hatte ich die Ehre, auf der Bühne die türkisch-deutsche Schauspielerin und Buchautorin Didem Ercin zu begrüßen. Sie spielte bereits 2013, ganz zu Anfang ihrer Karriere also, unter der Regie von Edward Berger, dessen Remake von „Im Westen nichts Neues“ 2023 gleich vier Oscars ergattern konnte, im „Tatort: Wer das Schweigen bricht“ mit). Charmant verkündete sie den „Follow Up“ „Coldblood“. In dem Zukunfts-Action-Thriller geht es an Bord der Raumstation „Methusalem“ der „Tree of Life“-Corporation um einen Sabotageakt an zahlreichen eingefrorenen Individuen , die eigentlich auf ein neues, besseres Leben gewartet haben. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt… Die Jury erkannte das hohe kommerzielle Genre-Potential, das alte wie junge Science-Fiction-Freunde ins Kino locken könnte.
Irland ist zwar ein kleines Land, aber mit einer blühenden Filmindustrie, die auch auf Co-Produktionen wie mit dem Nachbarn aus Großbritannien setzt. Erster Sieger ist diesmal „Riot Girl Summer“ von Sinéad Ni Bhroin und Daniel Hegarty. Vor allem das sorgfältig ausgearbeitete Drehbuch der 16-jährigen Tilly, die den Tod der Mutter zu verkraften hat, und neue Kraft in der Gründung einer Mädchen-Punk-Band findet, war Garant für die Auszeichnung. „Follow Up“ kann sich „Surrogate“ von Regisseurin Nadia Shmelova und Produzent Eamon Hughes nennen, vor allem wegen seines politisch hochaktuellen Hintergrunds. Ein Ehepaar in Irland ist sich bereits mit der schwangeren, ukrainischen Mutter eines noch ungeborenen Kindes einig, doch dann kommt alles anders als geplant: Krieg, Flucht, Zweifel stehen den Familienglück im Weg. Am Ende aber gibt es ein Happy-End für alle Beteiligten.
Da Österreich auch 2025 nur einen Teilnehmer – den dystopischen Thriller„Level“ von Regisseur David Birner und Produzent Satoshi – stellte, kam es zu einer „Challenge“ mit Norwegen. Und daraus ging „Dustbin Heroes“ von Jørn Kolsrud (Regie) und Kristian Kamp (Produzent) hervor. Im London der Nachkriegszeit zeichnet der schüchterne Adam Forster für seine kranke Mutter eine Reihe von Superhelden. Als da wären: Sir Long John, Captain Bluff, Zana und Professor Von Holzkopf. Sie begeben sich auf die gefährliche Suche nach dem Roten Drachenzahn, einer mythischen Pflanze, die über heilende Kräfte verfügt. Das gut entwickelte, herzerwärmende Projekt konnte bei der Jury als starker Zeichentrickfilm punkten.
Südafrika ist aufgrund seiner atemberaubenden Landschaft und der kostengünstigen Produktionsbedingungen ein stets willkommener Co-Produktionspartner für Filmprojekte aus aller Welt. Das „Land des Sonnenscheins“ hatte 2025 gleich drei Bewerber im Rennen. Erster Sieger wurde „Baptism of Silence“ von Emilie Badenhorst und Kanya Viljoen (Regie) sowie Casey Diepeveen (Produzent). Sie erzählen von den aus einer ländlichen Bergbau-Siedlung stammenden Geschwistern Joshua (13) und Dané (16). Die beiden sind unzertrennlich. Als Joshua auf der High School in schlechte Gesellschaft gerät und Dané plötzlich schwanger wird, kommt es zum Bruch zwischen den beiden. Das neorealistische Skript überzeugte die Jury. Einen zweiten Sieger für Südafrika gab es in diesem Jahr leider nicht.
Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist bei JETS traditionell stark vertreten. Den ersten Platz 2025 machte „The Hate Factory“ von Adrian Mead (Regie) und Clare Kerr (Produktion). Das Gefängnisdrama basiert auf einer wahren Geschichte. 1987 gab es im Peterhead Prison eine Revolte, die nach der Geiselnahme von Wärtern von der Spezialeinheit SAS blutig niedergeschlagen wurde. Ein auch psychologisch betrachtet verstörendes Drama, das nur an einem einzigen Schauplatz spielt. „Follow Up“ wurde der Horror-Öko-Thriller „Night Song“ von Regisseur Sid Bennett und Produzent Jack Pollington. Auf einer arktischen Öl-Station ereignen sich unheimliche Dinge. Das Fernsehen ist mit seiner Show „Mermaids: The Body Found“ bald live dabei. Der Meerjungfrauen-Mythos trifft hier auf die Alien-Saga. Sicherlich ein Fest für Freunde von VFX, wo Live-Action-Aufnahmen mit digitalen Effekten verbessert werden! Nach JETS ist vor JETS. Auch 2026 wird es, Aliens hin oder her, heißen: The show must go on! Wir freuen uns darauf!
Marc Hairapetian ist Freier Journalist (u.a. Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung) sowie seit seinem 16- Lebensjahr Herausgeber des von ihm begründeten Kulturmagazins Spirit – Ein Lächeln im Sturm https://spirit-fanzine.de