Ein Weihnachts-Abenteuer mit Horror-Elementen, ein existentialistisches Road Movie voller Freiheitsdrang und ein rätselhaftes Selbstfindungs-Drama voll magischem Realismus – diesen wilden Genre-Mix präsentieren die drei Filmprojekte aus Niedersachsen und Bremen, die in diesem Jahr ins Rennen der JETS Initiative während der Berlinale gehen. Dabei bietet die „Junior Entertainment Talent Slate“ der Produktionsfirma WEP Productions ein internationales Netzwerk aus Koproduzenten zum Pitching erfolgversprechender Filmprojekte. Aus Hunderten von Bewerbungen wurden jetzt 25 JETS-Finalisten ausgewählt, drei von ihnen kommen aus der Region Niedersachsen-Bremen.
US-amerikanische Klassiker wie „The Goonies“, „Gremlins“ oder „E.T. – Der Außerirdische“, die Märchenhaftes mit Horror zu kindgerechten Abenteuern verknüpften, begeistern Juliane Block und Wolf-Peter Arand schon seit Kindertagen. „Diese Leidenschaft ist unsere Verbindung“, beschreibt Regisseurin Block die seit vielen Jahren fruchtbare Kooperation, die unter anderem den Zombie-Film „The Curse of Hobbes House“ hervorbrachte. „Aber wir wollten das Genre mal ganz anders angehen und ein Christmas-Adventure erschaffen, dass es so zuvor noch nie gegeben hat.“ Das Ergebnis ist das Treatment „Lyra’s Wish“, das nun im Rahmen der JETS Initiative internationalen Koproduktionspartnern vorgestellt werden soll. Autor Wolf-Peter Arand hat sich dafür tief in die weihnachtliche Mythen- und Sagenwelt hineinbegeben und Erstaunliches zutage gefördert: „Es gibt so viel mehr, als wir aus amerikanischen Weihnachtsfilmen mit Santa Claus und dem rot-Rentier kennen“, sagt der in Berlin lebende Autor.
In „Lyra’s Wish“ begibt sich die 11-jährige Lyra am Morgen des 23. Dezember mit ihrer Familie auf eine abgelegene Insel vor der Küste Großbritanniens, um ihren Großvater zu besuchen. Weil die Spannungen zwischen den Familienmitgliedern zum Streit führen, flieht Lyra in die großväterliche Scheune, wo sie einem sprechenden Ferkel begegnet. Es behauptet, der verzauberte Weihnachtsmann zu sein! Um ihm zu seiner ursprünglichen Gestalt zu verhelfen, taucht Lyra in eine mystische Traumwelt ein, wo sie zahlreichen seltsamen Kreaturen begegnet, unter anderen dem Dämon Krampus, dem Gnom Tomte und der kinderfressende Riesin Gryla. Ihre abenteuerliche Reise wird Lyras Vorstellung vom Geist der Weihnacht für immer verändern.
Regisseurin Juliane Block und Drehbuchautor Wolf-Peter Arand wollen mit „Lyra’s Wish“ ihre Zusammenarbeit auf eine neue Ebene heben: „Dass Film als Team-Kunstwerk funktioniert, ist uns ganz besonders wichtig“, sagt Wolf-Peter Arand. „Deshalb treten wir beim Projekt-Pitch auch nicht in klar abgegrenzten Rollen auf, sondern wir beide zeichnen gleichzeitig sowohl für die Ko-Regie als auch für die Ko-Autorenschaft verantwortlich.“ Den beiden liegt es besonders am Herzen, im frühen Projektstadium einen Verleiher mit ins Boot zu holen, der „uns aus marketingtechnischer Sicht auf den richtigen Weg bringt“, so Block. Da Visual Effects in ihrem Weihnachtsabenteuer naturgemäß eine bestimmende Rolle spielen, haben Block und Arand auch die Postproduktionsszene in Niedersachsen im Auge. „Hier gibt es einige starke lokale Player, mit denen wir uns sehr gut vorstellen können zusammenzuarbeiten“, sagt Juliane Block, die mit ihrer Firma J-Blockbuster den Hauptsitz in Hannover hat.
„Wie im Rausch“ hat Schriftsteller Peter Clotten die Story zum JETS-Projekt „Winter Whore“ innerhalb weniger Tage niedergeschrieben, nachdem er in seiner Wahlheimat Gascogne einer Obdachlosen begegnet war. „Ich musste die Geschichte dieser Frau festhalten, zunächst als Novelle, und jetzt auch als Drehbuch für einen Film“, berichtet Peter Clotten, der seit den achtziger Jahren als Buchautor und Journalist erfolgreich ist. Als die Bremer Produzentin, Regisseurin und Schauspielerin Cedar D. Wolf während der gemeinsamen Arbeit an einer Berliner Schauspielschule „Winter Whore“ in die Finger bekam, war sie sofort elektrisiert. „Jede Schauspielerin träumt davon, eine derart dreidimensionale, lebensechte Figur zu verkörpern“, sagt Wolf. In „Winter Whore“ driftet eine wohnungslose Frau von Ort zu Ort und hält sich mit Stehlen und gelegentlicher Prostitution über Wasser. Doch die „Winterhure“ erlebt ihr Dasein keinesfalls als Elend – stattdessen möchte sie in absoluter Freiheit und Selbstbestimmtheit leben und hat sich ganz bewusst gegen herkömmliche, sozial abgesicherte Lebensentwürfe entschieden. Auf einem mühsam zusammengesparten Trip nach Spanien trifft die Winterhure auf einen pensionierten Lehrer, der ihr einen verlockenden Deal anbietet. Doch dafür müsste sie ein Stück ihrer hart erkämpften Freiheit aufgeben. Ist sie bereit dafür? „Winter Whore soll ein lebensbejahendes Road Movie werden, das unserer Gesellschaft einen kritischen Spiegel vorhält – frei nach dem Kris Kristofferson-Zitat Freedom’s just another word for nothing left to lose“, erklärt Autor Clotten. Auch der Spirit des Kultfilm-Klassikers „Harold und Maude“ habe Pate gestanden.
Bei seiner Projektpartnerin Cedar D. Wolf wuchs nach anfänglicher Begeisterung für die schauspielerischen Möglichkeiten der Hauptfigur der Wunsch danach, „Regisseurin einer kraftvollen Vision eines Anderen“ zu sein. „Dafür ist Winter Whore das perfekte Projekt“, sagt Cedar D. Wolf, die gerade erst die Arbeit an einer 6-teiligen, ebenfalls über JETS geförderten, Serie abgeschlossen hat. „Wir haben klare Vorstellungen, sind aber noch in einem sehr frühen Stadium der Projektentwicklung und freuen uns deshalb ganz besonders auf das Pitching im Rahmen der JETS Initiative“, sagt Cedar D. Wolf, die mit der Produktionsfirma cedrwydd films ihren Hauptsitz in Bremen hat, aber auch sonst hervorragend in der Medienbranche Niedersachsens vernetzt ist. „Wir wollen jetzt wissen, wie der Stoff bei möglichen Partnern ankommt und wie auch wir als Regie-Drehbuch-Kombination ankommen.“ Weil das Meer eine zentrale Rolle spielt, wäre ein internationaler Koproduktionspartner mit der Möglichkeit, in Küstennähe zu drehen, wünschenswert. „Natürlich geht es in erster Linie darum, die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Aber unsere Partner sollten auch mit uns übereinstimmen, dass Winter Whore zwar als deutsche Produktion ins Leben gerufen wurde, am Ende aber die Unmittelbarkeit US-amerikanischer Road Movies haben sollte“, schließt Peter Clotten ab.
Schon weiter mit seinen Projektideen ist der Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Constatin Maier aus Hannover: Im Rahmen der JETS-Pitchings wird er den Spielfilm „Argument for the Existence of the Island of Saudadia“ vorstellen, für den er bereits einen eindrucksvollen Animations-Trailer hergestellt hat. „Geplant ist aber ein Realfilm“, betont Maier. Die traumhafte, bisweilen irreale Stimmung des Visual Effects-Trailers kommt der eigentlichen Filmidee aber auch entgegen: „Saudadia“ ist als hypnotisches Thriller-Drama mit ausgewiesenen Crime- und Romantic-Elementen angelegt: Der Plot erzählt von der Schriftstellerin Sophie, die sich zur Überwindung einer Schaffenskrise auf eine Segel-Tour begibt und nach einem Schiffbruch von dem geheimnisvollen Joshua gerettet wird. Joshua ist auf der Suche nach der Insel Saudadia, einem mythischen Ort perfekter Harmonie und des Glücks. Bevor die Verliebten Sophie und Joshua die Insel erreichen können, geraten sie in einen heftigen Sturm. Als Sophie in einem Krankenhaus aus einer Ohnmacht erwacht, fehlt von Joshua jede Spur. Existiert er überhaupt? Niemand glaubt Sophies Erzählung von der Insel Saudadia – vielmehr ist ihr Umfeld überzeugt, dass ein Nahtoderlebnis Sophie traumatisiert hat. Auch wenn sie selbst daran zweifelt, ob ihre Liebe zu Joshua und die Hoffnung auf eine perfekte Existenz auf Saudadia nur ihrer Einbildungskraft entspringt oder der Realität, begibt sich Sophie auf eine erneute Reise nach Saudadia. Was wird sie finden?
Ein faszinierend vielschichtiger Story-Entwurf – der laut Constantin Maier von einer persönlichen Lebenserfahrung herrührt: „Vor knapp zehn Jahren habe ich mich auf einer Australien-Reise in eine Frau verliebt, die in einer Art Kommune in den Bergen lebte und versuchte, ihren Traum einer perfekten, harmonischen Gesellschaft zu realisieren“, erzählt Maier. „Sie hat mich zur Idee von der Insel Saudadia inspiriert.“ Wieder zurück in Hannover, kamen Constantin Maier seine Erlebnisse in der Erinnerung fast schon irreal vor. „Deshalb wollte ich meinem Projekt einen magischen Realismus verpassen, der eine Rätselhaftigkeit ausstrahlt, mit der sich das Publikum immer nicht ganz sicher sein kann, ob wir uns in der Realität oder in einem Traum befinden.“ Visuelle Effekte sollen deshalb in „Saudadia“ eine große Rolle spielen, sagt Maier, der auch sonst als Visual Effects Artist in Niedersachsen dick im Geschäft ist. „Mein Herz hängt an diesem Projekt, ich will es unbedingt realisieren und erhoffe mir, im Rahmen von JETS die Partner dafür zu finden.“ Constantin Maier gibt zu, aufgeregt zu sein: „Ich arbeite seit 2015 an Saudadia, und es wird jetzt Zeit, dass es losgeht.“ Und Maier ergänzt, was sicher auch die anderen Teilnehmer der insgesamt 25 internationalen JETS-Finalisten unterschreiben würden: „Ich bin so überzeugt von meinem Projekt, dass ich nicht sterben möchte, bevor es nicht realisiert ist!“
Florian Vollmers, Freier Journalist